Von Chuzpe, Militär und Erfolg: Der GründerGarten auf Entrepreneurs-Tour in Tel Aviv

Von admin@gg am 14. Juni 2015

Dass Israel nach dem Silicon Valley der weltweit zweitgrößte Start-Up-Standort, gemessen an Investitionen und Neugründungen, ist, wird nicht vielen bekannt sein. Schließlich denken die meisten eher an Konflikte und religiöse Auseinandersetzungen, wenn es um das „heilige Land“ geht. Wie hat der kleine Staat es trotzdem geschafft, einer der innovativsten Global Player der Hightech-Branche zu werden?

Die Entrepreneurs-Tour vom 9. bis 14. Mai 2015 in Israel, organisiert von der Initiative START Berlin, versprach diese Frage zu beantworten. Drei Mitglieder vom GründerGarten, Marina Mazeina, Christian John und Florian Sägebrecht, nutzten die Chance mit auf die Reise zu gehen, um wertvolle Entrepreneurship-Erfahrungen zu sammeln.

GründerGarten in Tel Aviv

Die Tour mit ihrem 5-tägigen Programm begann in Tel Aviv am Campus des College of Management Academic Studies – der Start-Up-Schmiede Israels. Dort lieferten Workshops mit renommierten Dozenten einen ersten Überblick über Israel und dessen Start-Up-Kultur. Über die nächsten Tage verteilt, standen Besuche diverser Start-Ups auf dem Programm, unter anderem wicepricer, soundbetter, wibbitz und noknok. In offenen Gesprächen wurden wertvolle Insights zur israelischen Mentalität, Erfolgen und Niederlagen der Gründer geteilt. Spannend war auch der Ausflug nach Jerusalem zu Jerusalem Venture Partners (JVP), dem führenden israelischen und einem der Top 10 Venture Capitalists weltweit, gemessen an der Kontinuität der Investitionen.

Den Höhepunkt der Reise bildete der Besuch des Google Campus im Business Bezirk von Tel Aviv. Angesprochen wurde das Thema der Female Entrepreneurship in Israel und dessen Förderung. Dort kam es auch zum finalen Feedback der Reise und der Zusammenfassung der Learnings und Erlebnisse in Israel: Die wichtigste und prägende Erfahrung für die Teilnehmer der Tour war die Auseinandersetzung mit der israelischen Mentalität und dem Erfolg Israels als „Silicon Wadi“ (arabisch: ausgetrocknetes Flussbett).

Google Campus Tel Aviv

Geheimnisse des Erfolgs

Den entscheidenden Punkt für den israelischen Fortschritt bildet die Risikomentalität, welche eine gänzlich andere Gewichtung hat als in westeuropäischen Staaten. Israelis sind es aufgrund des Nahostkonflikts gewöhnt, Angst um ihr Leben zu haben. Deshalb wird das Scheitern, unternehmerisch wie menschlich, anders bewertet als in Europa. Schließlich, so die israelische Mentalität, kann man immer wieder aufstehen, von vorne anfangen und aus Fehlern lernen.

Israelis handeln nach dem Motto „Just do it“ oder „Finish the mission“, ohne viel nachzudenken oder zu planen. Zur israelischen Identität gehört auch die Angewohnheit, das Offenkundige anzuzweifeln und alles zu debattieren. Diese als „Chuzpe“ bekannte kulturelle Eigenheit, charakterisiert durch übertriebene Direktheit gemischt mit Dreistigkeit, gibt Israelis einen entscheidenden Vorsprung gegenüber anderen Nationen, die keine Abweichungen tolerieren. Diese Umgangsform geschickt zu verpacken und für eigene Zwecke zu nutzen, statt immer diskret und diplomatisch zu bleiben, ist einer der typisch israelischen Erfolgsfaktoren.

Israelische Flagge auf Mauer

Auch der mehrjährige Wehrdienst, den beide Geschlechter ableisten müssen, kann bei einer möglichen Gründung helfen: Die israelische Armee sorgt mit ihren innovativen Militärtechnologien dafür, dass es viele Start-Ups im Bereich der Cyber- und Data Security gibt. Zahlreiche Gründer, die wir im Rahmen der Tour kennengelernt haben, wiesen einen militärischen Hintergrund vor. Die Armee in Israel gilt als ein Hub oder Framework, das die Menschen zueinander bringt und für persönliche Reife sorgt. Die Notwendigkeit, Herausforderungen in der Armee zu meistern, fördert Teamgeist, Improvisation und Flexibilität – all die Fähigkeiten, die auch bei einer Unternehmensgründung relevant sind.

Mit der Einstellung, sich schnell anzupassen, Nachteile geschickt in Vorteile umzuwandeln und den Status Quo zu hinterfragen, schaffen sich die Israelis einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Dieser Gedanke spiegelt sich auch bei den Marktstrategien wieder: Da das eigene Land sehr klein ist und zudem über eine seltene Sprache verfügt, lohnt es sich häufig nicht, neue Produkte oder Dienstleistungen nur in Israel an den Markt zu bringen. Deshalb treiben Israelis von Beginn an die Internationalisierung voran, gemäß dem Motto „Think big, think global“. Und nicht zuletzt unterstützt auch die Regierung die heimische Start-Up-Szene: Das Land hat ein Ökosystem, das weiterhin wächst und Synergien für Entrepreneure erzeugt. Und mittlerweile gehören Hightech-Produkte zu den wichtigsten Exportgütern Israels.

Land der Gegensätze

Generell ist Israel ein Land voller Gegensätze, ein „Melting Pot“ der Religionen und Lebensstile: Ultraorthodoxe Juden neben kosmopolitischen Hipstern, moderne Shopping Malls und orientalische Bazare, traumhafte Strände gemischt mit kargen Wüstenlandschaften. Man spürt deutlich, dass die Menschen im Jetzt und vor allem deutlich intensiver leben, als wir in Deutschland: Mehr Partys, mehr Kinder und ja, mehr Start-Ups.

Strand in Tel Aviv

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